Globart Academy

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GLOBART Academy 2020 im AKW – Review

In einer gemeinsamen Bilanz und Perspektive der Macht der Vielen schildert Carl Manzano auf die Frage „Was war das damals für ein Gefühl von Macht?“ wie in Reaktion auf die Ohnmacht über den Lobbyismus im Parlament die Anti-Atomkraftbewegung mit einem hohen Mobilisierungseffekt auf viele neue Initiativen entstand. Als Reaktion auf das knappe Ergebnis der Volksabstimmung zitierte er Peter Weish: „Jeder einzelne Aktivist konnte für sich sagen: Es ist auf mich angekommen.“

Unter dem diesjährigen Thema MACHT wurde das wegen eines Volksentscheids niemals in Betrieb genommene AKW Zwentendorf für zwei Tage zum Forum der GLOBART Academy. Vom 30. bis 31. Oktober nutzten wir das historische Areal als „Reaktor“ um alle mitgebrachten Ideen, Wissen und Know How in demokratische und zivilgesellschaftliche Energie umzuwandeln. In unterschiedlichen Veranstaltungsformaten wurden zukünftige Lösungsmodelle für die Probleme und Krisen unserer Zeit von Teilnehmende aus allen Generationen und Bereichen präsentiert, diskutiert, ausprobiert und weiterentwickelt– live vor Ort und virtuell, denn erstmals wurde die GLOBART Academy als hybride Veranstaltung organisiert.

In ihrem Gespräch „Zwischen Ohnmacht und Ermächtigung – Lehren aus der Corona-Pandemie“ arbeiteten Ilija Trojanow und Johannes Kaup die Herausforderungen der Ermächtigung in heutigen Krisen heraus. Unter anderem das Problem kognitiver Dissonanz, an dem Organisationen wie Fridays for Future ansetzen. Trojanow nannte dabei „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ als Paradigma des modernen Menschen. Mit der Fähigkeit des Bewusstseins der Gespaltenheit kämen wir mit den unglaublichen Paradoxien dieses Systems ziemlich gemütlich zurecht. Ein weiteres Problem sei, dass das System viele bereits hoffnungsbedienende Utopien nicht zulasse, da diese in den entscheidenden Schaltstellen der Machtprozesse nicht diskutiert würden.

In seinem Vortrag „Realität der Macht – Macht der Realität im 21. Jahrhundert“ erklärt Peter Weibel die verantwortungslose Gesellschaft, die ihren Ursprung in der Einführung der GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) von 1892­­ - dem „größten deutschen Exportschlager“ – hat, als Ursache der aktuellen globalen Krise. Seuchen, Missernten und Hungersnöte, Völkerwanderungen, verlassene und zerstörte Landschaften seien nicht mehr nur die vergangenen Albträume des Mittelalters, sondern die Dystopie der Zukunft.

In einer Neuauflage der „Pressekonferenz der Tiere“ im KunstHausWien traten in den Originalkostümen „Revolutionäre” von damals gegen junge „Visionäre” von heute zu einer spannenden Debatte an. Anika Dafert von Fridays for Future kritisierte beispielsweise als Fisch die aus ihrer Sicht unzureichend zukunftsorientierte EU-Agrarpolitik. Selbstbewusst forderte sie den EU-Abgeordneten Othmar Karas, der als Kormoran auch an der Pressekonferenz teilnahm, dazu auf, seine Machtposition dafür zu nützen und mutige Klimapolitik auf europäischer Ebene zu betreiben.

„Die politische Macht geht vor der moralischen Macht immer in die Knie und deswegen kommt es häufig darauf an, wenn politische Macht moralisch illegitim ist […] die moralische Macht in die Knie zu zwingen. Deswegen ist es in Diktaturen üblich, dass das moralische Denken unterminiert wird.Ich habe die Befürchtung gegenüber der Postmoderne, dass sie uns zu moralischen Analphabeten gemacht hat, sodass wir jetzt williges Vieh für Manipulation durch Macht sind und dann spielt es keine Rolle, ob das Donald Trump macht oder Joe Biden in Zukunft, solange das moralische Nachdenken in die Knie gezwungen ist, ist es eigentlich egal wer die Herde führt. “ - Markus Gabriel im Gespräch über Macht und Moral mit Renata Schmidtkunz.

Ulrike Guérot sprach sich in ihrem Vortrag „Europa auf der Startrampe?“ für einen Paradigmenwechsel weg von einer Union der Staaten hin zu einer Union der Bürgerinnen und Bürger aus – dabei Union im politisch-rechtlichen und nicht kulturell- normierenden Sinn. „Le sacre du citoyen (Pierre Rosanvallon), das Heiligtum des bürgerlichen Daseins  (Wahlen, Steuern, gleicher Zugang zu sozialen Rechten), […] sollte unser Plädoyer sein, weil es eben die notwendige – wenn auch nicht hinreichende – Bedingung für eine Demokratie ist, wenn wir die Absicht haben auf diesem Kontinent eine Demokratie für diejenigen politischen Subjekte zu schaffen, die wir jetzt gemeinhin European Citizens nennen.“

Um den richtigen Umgang der Gesellschaft mit Medien zu fördern, sprach Rubina Möhring sich in einem hybriden Gespräch über Medienfreiheit, -missbrauch, -korrumption und -kompetenz für Medien- und Demokratieunterricht, sowohl ab der 4. Klasse, als auch für Erwachsene, aus. Dabei soll exaktes Recherchieren, sowie Glaubwürdigkeit, Deutung und Einordnung von Medien vermittelt und außerdem nicht nur in demokratisches Wissen eingeführt, sondern auch auf den jetzigen Stand der Demokratie und Politik gebracht werden.

„Der einzig wirkliche Wert, den Geld darstellt, ist das Vertrauen darauf in Zukunft irgendetwas mit Geld bezahlen zu können, was ungefähr dem Aufwand entspricht, den man betrieben hat, um es zu bekommen. Jeder Stoff, der diese zukunftsvertrauende Eigenschaft in einer Gesellschaft hat, kann im Prinzip zu Geld werden. Dass wir nur das Schuldgeldsystem heute haben, ist eine polit-ökonomische Entscheidung gewesen. […] Geld ist zwar magisch-machtvoll, aber es ist auch eine Entscheidung darüber, was diese Macht über uns hat und uns verzaubern darf.“ – aus dem Videobeitrag von André Reichel im Panel Die Macht des Geldes mit Cornelia BruellGertrude Tumpel-GugerellFriedhelm Boschert und Wilfried Stadler.

Mit der Motivation der Erweiterung der bestehenden demokratischen Grundordnung in Österreich startete die Arbeit der Stipendiatinnen und Stipendiaten an einer erneuerten Verfassung. Achtung vor allem Leben und Ungleichheit der Menschen als zusätzliche Grundwerte einführend, waren die thematischen Vorschläge vielseitig. Hier einige Auszüge:

„Ein Klima-Rechnungshof wird eingerichtet.“

„Gesundheit ist keine Ware und sollte möglichst wenig marktwirtschaftlichen Wettbewerb ausgesetzt sein.“

Peter Parycek im Panel Digital Dangers zu Zensur im digitalen Raum: „Es wäre[...] die Aufgabe, wenn eine Rechtsübertretung stattfindet, das dementsprechend auch vor ordentlichen Gerichten oder durch Strafverfahren, dass das geklärt wird und nicht das börsenorientierte Unternehmen beginnen das zu zensurieren, was auf ihren Plattformen stattfindet. Was es daher braucht, ist ein völlig neues Governmentsystem für Plattformen, die eine derartige Öffentlichkeit, also einen öffentlichen Raum […] kreieren. […] Also wir haben ein massives, demokratiepolitisches Defizit in diesen Organisationen bzw. es gibt dort gar kein demokratisches Prinzip.

DIE MACHT GEHT VOM VOLK AUS – that´s essentially how it´s stated in most European constitutions. Is this accurate? Or does the power actually come from a virus, from myself, from the economy or from God?

Reality has now caught up with us in a way that changes all meanings and signs, and our 3-year concept "LEBEN.MACHT.SINN" appears prophetic in an almost frightening way: (MACHT)POWER - following (LEBEN)LIFE - now reveals a new (SINN)SENSE. The force of nature, in form of a virus that is imperceptible to our senses, inevitably demonstrates the vulnerability of our existence.

Climate change, migration, war, pandemic – all current crises demand coordinated collective action. Of millions. This year GLOBART is venturing out in search of ideas, people and projects that deal with how we use, seize, distribute or even hand over power.

We invite you to a Festival of impulses in Zwentendorf, to a thought experiment and to a critical celebration of our constitution at the parliament.

GLOBART
A think tank for future topics

GLOBART is a laboratory for social impulses. We invite a vast diversity of people into a safe space and encourage them to engage in open-ended dialogue, to foster a mindset that breaches the stiff corset of customary patterns of behavior and thought. 
We believe that through encounters, through listening and working collaboratively, new impulses for social change can be sparked and answers to pressing questions of our time arise. The focus of our work is to transfer knowledge and to encourage consciousness. Our aim is to grant access to the future generating value of science and art for as many as possible.

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GLOBART ACADEMY
Experiencing the unknown with heart, hand and brain

Since its premiere in 1999 the GLOBART Academy has established itself as an internationally recognized forum for issues of the future. It serves as a platform for people who seek change and wish to shape it in a cooperative and interactive process. The invited speakers act as activators in a field that is open for various voices and perspectives. Through discussions and collaborations, we are able to develop new tools and experiment with ideas, that can help us build a better tomorrow.
During the Academy, we realize our claim to experience an annual theme with heart, brain and hand.  The Academy opens windows into society as a conscious act of sharing ideas on how life can be better in the future.
Every year, a thinking space is created and opened to all participants in an unusual place, outside of the daily routine. From joint cooking to the development of concepts for urgent topics.  Everything is possible and conceivable - always under the premise that the participants are open for new, different perspectives.

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